Main Post, 25. April 2018 von Mathias Wiedemann
https://www.mainpost.de/ueberregional/kulturwelt/kultur/Stephen-Tharps-fremde-Orgelwelten;art3809,9945483 Ein spezielles Programm hatte Stephen Tharp für das fünfte Meisterkonzert der Musikalischen Akademie am Dienstag an der Orgel im großen Saal der Hochschule für Musik in Würzburg zusammengestellt: bearbeitete Klaviermusik der Romantik und französische Werke des 20. Jahrhunderts. Stephen Tharp aus New York, laut Ansage erst am Vorabend eingetroffen, ist der Konzertorganist seiner Generation, „der am meisten und weitesten auf Tourneen unterwegs ist“, so das Programm. Von Jetlag allerdings war nichts zu spüren. Er scheint vor allem die tüfteligen Werke zu lieben, Stücke, die ihm alles abverlangen – viele Registerwechsel, viel Pedal, viel Laufwerk, viel Harmonik. Frédéric Chopins b-Moll-Scherzo kommt den Möglichkeiten der Orgel mit seinem blockartigen Aufbau zwar entgegen, allerdings entfällt dabei das Unmittelbare, das Intime. Ein Scherzo in großer Kulisse – interessant aber nicht unbedingt nötig. Mit Werken von Jehan Alain, Jeanne Demessieux und Henri Mulet stellte Tharp den Reichtum der französischen Orgelmusik vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vor. Alains motorisch dichtes „Intermezzo“, Demessieux‘ düstere Meditation über das Wasser, ihre fast aphoristische Fuge oder ihre Choralvorspiele und schließlich Mulets wuchtig-elegantes „Tu Es Petrus“ offenbarten vielfältige, hierzulande weitestgehend unbekannte Welten mit eigener Tradition und eigener Tonsprache. Eben diese Tradition wurde mit César Francks „Priere“ in cis-Moll offenbar, dem einzigen romantischen Originalwerk des Abends. Mit diesem Gebet aus Tönen zeigen Franck und Tharp sozusagen gemeinsam, was Orgel kann, wie Orgel sein muss. Groß angelegte Steigerungen, galoppierende Gedanken, gehauchte Bässe – Stephen Tharp, mit allen Gliedmaßen pausenlos und gleichzeitig an allerhand Tasten, Schaltern, Knöpfen gefordert, ließ ebendiese Akrobatik vollkommen zurücktreten hinter das Werk. Tharps Bearbeitung von Franz Liszts „Danse macabre“ über das Dies-Irae-Motiv konnte diese Faszination nicht mehr erreichen. Bewundernswert, wie der Organist Klavier und Orchester zu einem harmonischen Ganzen von beträchtlicher dramatischer Intensität verschmilzt, oft allerdings bleibt die Struktur, wiewohl meisterhaft wiedergegeben, hinter dem schieren Klangeffekte zurück. Das Publikum im vielleicht zu zwei Dritteln gefüllten Saal machte die Reisen in unbekannte Gefilde bereitwillig und neugierig mit, zum Schluss gab es langanhaltenden Beifall und nicht wenige Bravi.
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